Eine kurze Einführung
Jeder Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens Grundüberzeugungen von sich selbst und von anderen Menschen. Auf Grundlage dieser Grundüberzeugungen - oder „Schemata“ - verstehen wir die Welt. Sie bilden den Rahmen, durch den wir die Umwelt wahrnehmen. Das vereinfacht unser Leben: Wir können Verhaltensweisen einordnen und wissen, was wir von uns und von anderen Menschen wahrscheinlich erwarten können.
Die Schemata werden in der Regel bereits in der Kindheit und Jugend erworben. Wenn die Grundbedürfnisse von Kindern (z. B. nach Liebe, Sicherheit und realistischen Grenzen) in dieser sensiblen Zeit erfüllt werden, sind die Schemata positiv und wir können optimistisch in die Welt gehen. So weit, so gut.
Nicht bei allen Menschen werden diese Grundbedürfnisse aber erfüllt. Wenn Kinder keine ausreichende Bedürfnisbefriedigung erleben, können sie (in Abhängigkeit von Temperament und genetischer Veranlagung) auch negative Schemata entwickeln. Wer als Kind die Erfahrung gemacht hat, dass seine Eltern ihn nicht oder nur bei besonderen Leistungen annehmen, wird auch im Erwachsenenalter von der eigenen Unzulänglichkeit ausgehen, enge Beziehungen als bedrohlich erleben und sich als Reaktion beispielsweise zunehmend in die Arbeit stürzen.
Hier setzt die Schematherapie an. Sie geht davon aus, dass problematische Situationen, die uns im Hier und Jetzt belasten, Körperreaktionen, Gefühle und Gedanken auslösen, die ihren eigentlichen Ursprung in der Kindheit und Jugend haben. Kindliche innere Anteile („Ich fühle mich einsam! Ich sehne mich nach Verbundenheit mit Anderen...“) stehen dann fordernden und strafenden inneren Anteilen gegenüber („Eigentlich bist du es nicht wert, geliebt zu werden! Vielleicht hast du eine kleine Chance, wenn du wenigstens erfolgreich bist.“).
Da solch ein innerer Konflikt nur schwer auszuhalten ist, entwickeln Menschen im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Bewältigungsstrategien. Sie bemühen sich beispielsweise, Situationen zu vermeiden, in denen das problematische Schema aktiviert ist und verzichten – um beim Beispiel zu bleiben - auf enge Beziehungen. Oder sie folgen den fordernden Anteilen, arbeiten bis zum Umfallen, leben vielleicht sogar in einer Beziehung, spüren aber keine wirkliche Verbindung.
In der schematherapeutischen Arbeit geht es nun darum, die eigene innere Landkarte der eigenen Anteile kennenzulernen. Meiner Erfahrung nach führt bereits dieser erste Schritt zu einem Aha-Effekt. Ich als Therapeutin lege in der Arbeit dann im weiteren Verlauf einen besonderen Fokus auf die kindlichen Anteile, damit die bislang frustrierten Bedürfnisse im Hier und Jetzt Erfüllung finden können. Jeder Anteil kommt aber zu Wort. Fordernde sowie strafende Anteile werden allerdings, sofern das notwendig erscheint, begrenzt und Bewältigungsstrategien danach hinterfragt, ob sie für die Erfüllung Ihrer Bedürfnisse hilfreich sind. Ziel ist es, dass Sie selbst wie ein innerer Regisseur in die Lage versetzt werden, die inneren Stimmen zu moderieren und für die kindlichen Anteile Verantwortung zu übernehmen.
Literaturtipps für die tiefergehende Lektüre:
- Gitta Jacob (2017). Andere Wege gehen. Lebensmuster verstehen und verändern - ein schematherapeutisches Selbsthilfebuch. Weinheim: Beltz.
- Eckhard Roediger (2015). Raus aus den Lebensfallen. Das Schematherapie-Patientenbuch. Paderborn: Junfermann Verlag.